Individuelle Führung – neues Schlagwort oder neue Notwendigkeit?

Was müsste passieren, dass Menschen sich rasch und gern an sich verändernde Arbeitsbedingungen anpassen können?

Was wäre alles möglich, wenn Führungskräfte ein Arbeitsumfeld schaffen, das Ziele effektiv erreichen lässt?

Was wäre, wenn Menschen sich selbst so gut organisieren können und für Führungskräfte so viel Zeit bleibt, sich der individuellen Herausforderungen ihrer Mitarbeiter anzunehmen?

Die Coronakrise hat vieles in der Arbeitswelt verändert und auf den Kopf gestellt. Die Ausgangsbeschränkungen haben Manager mit eher traditionellen  bzw. hierarchischen Führungsansätzen „alt“ aussehen lassen. Kontrollverlust und Machteinbuße auf der einen Seite sowie Vereinsamung und Ängste auf der Seite ihrer Mitarbeiter waren die Folge.

Gutes wurde besser, Schlechtes wurde noch schlechter.

Und eines wurde auch sichtbar: Führungskräfte, die sich bereits davor den unterschiedlichen Bedürfnissen und Situationen ihrer Mitarbeiter anpassen konnten und eine individualisierte situative Führung lebten, wurden im Lockdown belohnt! Oder wie es DI Uwe Reiner-Kolouch in einem Online Roundtable (von Jürgen Pfeiler corporate culture consulting Ende Juni organisiert) provokant formulierte: „Alles was vor der Krise gut funktionierte, hat in der Krise noch besser funktioniert. Alles was davor schon schlecht war, wurde noch schlechter!“ (–> direkt zum Interview).

Warum werden wir also in Zukunft noch mehr Individualisierung in der Führung brauchen?

Wenn die Planbarkeit sinkt, das gewohnte Umfeld und Abläufe sich verändern und bewährte Abläufe und Rahmenbedingungen plötzlich wegfallen, reagieren Menschen mehr oder weniger mit unpraktischen und negativen Verhaltensmustern – sogenannten Distressmustern. So haben zum Beispiel viele Menschen in der verordneten Isolation mit Unsicherheit, Langeweile oder sogar Destruktivität reagiert. Andere wiederum schienen die Zeit zu genießen – „Endlich mal in Ruhe arbeiten“, „Endlich mal Zeit zum Essen und Plaudern in der Familie“ und ähnlich positive Meldungen kamen da (–> direkt zum Interview).

Was sind die Gründe für diese unterschiedlichen Reaktionen?

Das Process Communication Model® liefert hier rasch Antworten. Es gibt demnach Menschen, die sich aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur sozial lieber gruppenbezogen oder – ganz gegensätzlich – lieber zurückgezogen verhalten. Onlinemeetings, die eher kurz und streng nach Agenda und mit einem Minimum an sozialem Austausch und Beziehungspflege ablaufen, sind für manche Menschen „endlich mal ein effizientes Meeting ohne plaudern“ und für andere „eine sozial Wüste ohne Oase“. Manager, die dem Rechnung trugen und auf freiwilliger Basis das Einloggen 15 Minuten vor Meetingbeginn ermöglichten und einfach Zeit für Plaudern, Blödeln und Beziehungspflege reservierten, und dann effizient die Agenda durchbrachten, konnten somit beim ganzen Team punkten.

Das unterschiedliche Bedürfnis nach Kontakthäufigkeit und Kontaktqualität zeigt sich in dieser Zeit besonders deutlich! „Wir werden in Zukunft das Thema Home Office versus Arbeit im Büro sehr unterschiedlich und individuell angepasst leben müssen,“ meint Jürgen Pfeiler, GF von Corporate Culture Consulting (–> direkt zum Interview).

Erfolgsgarant: Stets für volle Batterien sorgen.

Man weiß inzwischen sehr genau, dass das gesamte Potenzial von einem Menschen nur dann zur Entfaltung kommt, wenn er in einem guten Energiezustand ist oder wie es bei PCM heißt „volle Batterien hat“. Führungskräfte, die hier einen positiven Beitrag dazu leisten können – für sich und andere – werden in Krisensituationen deutlich erfolgreicher sein. Das bedeutet aber auch, sich auf das (Anders-)Sein des anderen einzulassen können! Wenn ich weiß, dass mein Kollege gerne mal Scherze macht oder eine lustige Begebenheit mit einem Kunden am Meetingbeginn schildert, dann brauche ich als Führungskraft dem nur etwas Raum geben. Der Kollege „lädt so seine Batterien“ und ist dann viel leistungsfähiger, wenn es beispielsweise darum geht, den Monatsbericht zu analysieren. Menschen, die mehr Zeit und Ruhe brauchen werden ihr Home Office genießen, sofern sie einen klaren Auftrag und Zielsetzung haben. Dann belohnen sie das Umfeld eher mit vielversprechenden neuen Lösungsansätzen!

Aber kann man individuelle Führung lernen?

Buch Toolbox Führungskompetenz

Uwe Reiner-Kolouch vergleicht es gern mit dem Motorradfahren auf herausfordernden Strecken: „Ja, es gibt Naturtalente. Viele können es am Ende genauso gut, nachdem sie die entsprechenden Techniken erlernt und vor allem geübt haben.“ Im Buch „TOOLBOX FÜHRUNGSKOMPETENZ“ hat er und seine Kollegen von IMC zahlreiche Führungstechniken und Kommunikationstools wie z.B. PCM gesammelt und praxisgerecht mit vielen Beispielen dargestellt.

Uwe Reiner-Kolouch stellt drei Bedingungen für das individuelle Führen im Rahmen des Round Tables vor (–> siehe Interviewbeitrag auf Youtube):

  1. Sich selbst führen können – 20 Jahre Führungserfahrung ist nicht gleich 20 Jahre reflektierte Führungserfahrung. Sich selbst immer wieder in Frage zu stellen, dabei die eigene Komfortzone zu verlassen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren sind der Schlüssel zum Erfolg.
  2. Sinn finden und schaffen – Führungskräfte, die in ihrer Führungsarbeit Sinn finden und für ihre Mitarbeiter einen Sinn in ihrer Arbeit schaffen, werden mit Motivation belohnt.
  3. Mit dem Team auf die Metabene – Individuelle Führung heißt auch, im Team immer wieder die Frage zu stellen: „Welchen Beitrag kann ich (noch) leisten, damit jeder einzelne und auch ich selbst noch erfolgreicher sein kann?“

Wenn Sie noch mehr praktische Tipps und Tools zum Thema „Individuelle Führung“ kennenlernen wollen, dann werfen Sie doch einen Blick in unser Buch „TOOLBOX FÜHRUNGSKOMPETENZ – People Management in der Praxis“ (–> hier geht es zur Leseprobe).

Hier können Sie das gesamte Interview nachhören & nachschauen.
Viel Spaß!